Mittwoch, 9. Juli 2008

Manila


Manila: Megastadt. Stadt der getrennten Welten zwischen Arm und Reich. Stadt der Wolkenkratzer und Einkaufsparadiese. Stadt der Slums. Stadt der Botschaften und der Finanzwelt.



Stadt der Peoples Power Bewegung: Stadt der großen Hoffnungen auf politischen Wandel und eine bessere Zukunft.





Manila: Stadt der Kriminalität und der Slums. Stadt der Menschen, die jede Hoffnung auf ein besseres Leben verloren haben.




Statistik: Die Philippinen gehören zu den Ländern mit dem weltweit größten Bevölkerungswachstum. 1990 gab es 60 Millionen Philippinos im Land; 2008 sind es fast 90 Millionen.




Die Philippinos gehören zu den größten Reiskonsumenten der Welt. Gleichzeitig ist das Land eines der größten Reisimporteure weltweit. Nach einer Studie der UN „Food and Agriculture Organization“ ist in den Philippinen der Reispreis von Dezember 2007 bis April 2008 um 76 Prozent in die Höhe geschnellt: In einem Land, in dem elf Millionen Menschen von unter einem Dollar am Tag leben, bedeutet eine Reiskrise für viele Menschen eine existenzielle Krise. Laut dem „Philippine Human Rights Information Center“ trüge eine erfolgreiche Landreform entscheidend zur Lösung der aktuellen Nahrungskrise bei.








Im zweiten Quartal 2007 verzeichnete die philippinische Wirtschaft ein Wachstum von 7,5 Prozent. Doch während Bergbau und Dienstleistungssektor kräftig zulegten, wuchs im selben Zeitraum die Landwirtschaft nur um ein Prozent. Gleichzeitig laufen Verhandlungen zwischen der philippinischen und der chinesischen Regierung, bei denen es um eine Verpachtung von Agrarland in den Philippinen an chinesische Unternehmen geht. Auf der Insel Mindanao sind dem Philippine Human Rights Information Center (Philrights) zufolge eine Million Hektar Land als mögliche Anbaufläche für die Produktion der Bioenergiepflanze Jatropa ausgemacht worden. Firmen wie Bayer sollen laut Philrights genmanipulierten Reis der Sorte "Liberty Link Rice 62" in Umlauf bringen. Führende NGOs befürchten, der genmanipulierte Reis könne die einheimischen Sorten verdrängen und die philippinischen Farmer ruinieren.










Nasser Pangandaman, die „Agrarian Reform“, das DAR und weitere Institutionen

In Manila werden die wichtigen politischen Entscheidungen gefällt. In der Hauptstadt hat unter anderem das Department for Agrarian Reform (DAR) seinen Sitz. IPON sprach mit DAR-Chef Nasser Pangandaman über die Zukunft der philippinischen Landreform.


Nasser Pangandaman




Juristisch gesehen lief am 10. Juni 2008 nicht das Programm zur Agrarreform (Comprehensive Agrarian Reform – CARP) aus, sondern nur dessen Finanzierung. Das Programm selbst ist, wie Nasser Pangandaman es ausdrückt, ein “continouing program”, das sein Mandat aus einem Gesetz in der philippinischen Verfassung erhält (Comprehensive Agrarian Law – CARL). Theoretisch läuft damit das Programm CARP solange, bis sein Ziel – eine gerechte Landverteilung – erreicht ist.

In der Praxis jedoch hängt die Umsetzung des Programms CARP an dessen Finanzierung: Bis Ende 2008 kann das Department wie bisher mit dem Budget für 2008 weiterarbeiten. Das beschloss das Repräsentantenhaus im Juni in einer Resolution, die noch vom Senat bestätigt werden muss. Können sich die Politiker bis Ende Dezember 2008 nicht zur einer weiteren Budgetierung entschließen, bedeutet das de facto auch das Aus für CARP – obwohl es juristisch gesehen bis zu seiner vollständigen Umsetzung läuft.



Zahlen: Seit Anfang des Landreformprogramms CARP im Jahre 1988 wurden laut Nasser Pnagandaman 7,1 Millionen Hektar an landlose Farmer und Farmarbeiter vergeben. Rund 1,8 Millionen Hektar stünden noch zur Verteilung aus. Mit einer ausreichenden Finanzierung sei diese Aufgabe in fünf Jahren zu schaffen. Von der Zukunft von CARP hänge das Schicksal von zirka einer Million Farmer ab. Wie Nasser Pangandaman betont, sei die weitere Umsetzung von CARP deshalb so wichtig, weil es nicht nur um eine Umverteilung von Land gehe: Das Programm sei ein “social justice program” - ein Programm der sozialen Gerechtigkeit.



Das bisherige Budget für das Department of Agrarian Reform lag laut Nasser Pangandaman bei 14 Milliarden Peso (rund 233 Millionen Euro) jährlich. 70 Prozent davon seien allein für den Ankauf von Land ausgegeben worden. Dieses Budget steht nun im Fokus des Streits zwischen CARP-Befürworter und -Gegnern: CARP-Gegner wollen vor einer neuen Budgetierung eine exakte Aufstellung vom Department of Agrarian Reform, wofür das Geld verwendet wurde. Eine erste vom DAR vorgelegte Liste hielten sie für ungenügend und forderten weitere Details. Die DAR-Mitarbeiter evaluieren derzeit und wollen eine ausführliche Aufstellung noch vor Ende der Kongressferien am 28. Juli in den Kongress bringen.

Eine Fraktion der CARP-Gegner ist zwar für eine weitere Budgetierung. Das Geld solle jedoch für eine bessere Unterstützung der bisherigen CARP-Begünstigten aufgebracht werden – nicht für weiteren Landankauf und für die Verteilung.



Die Positionen: Wie bei den Farmern auf der kleinen Halbinsel Bondoc, so gibt es auch in der großen Politik Interessenskoalitionen, die quer durch ideologische Lager gehen, wechselnde Fronten, viele offizielle Positionen und noch mehr informelle Gespräche hinter den Kulissen. Und wie auf Bondoc spielen die eigenen Interessen oft eine größere Rolle als hehre Glaubenssätze und Ideologien.












So plädieren laut der Philippine Partnership for the Development of Human Resources (PhilDHHRRA) die Lobby der Landbesitzer und Teile der extremen Linken für eine “Genuine Agrarian Reform” - eine Landreform, bei der das Land frei, also ohne finanzielle Kompensation für die Landbesitzer, verteilt wird. Die Hoffnung, die dahinter stecke, sei die Demontage der bisherigen Landreform CARP.









Andere Politiker wollen zwar einer weiteren Budgetierung grundsätzlich zustimmen – diese jedoch abkoppeln von der Diskussion um die strittigen Reformen, die erst anschließend erfolgen soll. Bei dieser Position befürchtet das PhilDHHRRA, dass die bisherigen Fehler nicht verbessert würden: Insbesondere, weil jede Interessensgruppe ihre eigenen Verbesserungsvorschläge einbringe. So haben z.B. die großen Landbesitzer ihre eigene Reform-Agenda: Sie wollen zum Beispiel Saisonarbeiter und Land mit Zuckerrohranbau aus der weiteren CARP-Verteilung ausschließen.


Die Fraktion der “Reformer” will eine Landreform-Verlängerung mit unmittelbarer Einführung von Reformen: Diese bedeuteten unter anderem eine bessere Unterstützung von CARP-Begünstigten und eine umfangreiche Evaluation der Arbeit des DAR.




Die philippinischen Farmer sind in ihren Positionen so entzweit wie die Politiker, die noch in diesem Jahr über die Zukunft der Landreform entscheiden sollen. In der Zwischenzeit schikanieren und bedrohen maoistische New Peoples Army und Landlords gleichermaßen die Bauern. Diese leben in ihren Hütten in den Bergen und müssen zwischen sechs und zehn Kinder ernähren. Die Preise für Reis und Benzin steigen derweilen in schwindelerregende Höhen, was in entlegenen Gegenden wie Bondoc eine simple Busfahrt unerschwinglich macht.



Laut einer landesweiten Studie der unabhängigen Organisation IBON empfanden sich im Januar 2008 sich sieben von zehn Philippins als arm. Im April 2008 fühlten sich IBON zufolge bereits acht von zehn Philippinos arm.





Das Mandat in der philippinischen Verfassung für die Landreform:

Article II - Declaration of Principles & State Policies:

Section 9: „The State shall promote a just and dynamic social order that will ensure the prosperity and independence of the nation and free the people from poverty through policies that provide adequate social services, promote full employment, a rising standard of living, and an improved quality of life for all.“

Section 11: „The State values the dignity of every human person and guarantees full respect for human rights.“





Weiterführende Quellen zur sozialen Lage in den Philippinen:

Organisation IBON

Asienjournal