Donnerstag, 26. Juni 2008

Villa Reyes


Auf einer einsamen Landstraße, mitten in der Pampas: Bald hört die geteerte Straße auf, und der Busfahrer liefert sich ein Rennen mit einem Kollegen. An der Frontseite des Busses über dem Fahrer steht in großen Lettern:

„Saint Joseph, pray for us“.


Es geht in das Gebiet zwischen San Narciso und San Andres: Die Menschen hier nennen es „Villa Reyes-Land“.




Reyes Land erstreckt sich von den hohen Bergen Bondocs bis hinunter zur einsamen Küste: Es ist ein Land mit fischreichen Flüssen und ein Land, in dem noch die meisten Wege zu Fuß erledigt werden.










Es ist das Land der großen Familien und der kleinen Hütten: Die Bauern sind bitterarm, und der Grundbesitzer Victor Reyes überzieht alle mit Prozessen, die sich trauen: zum Beispiel eigenes Land beantragen oder sich in einer Bauernorganisation engagieren.



Es ist ein Land, in dem die Menschen Affen aus dem Wald fangen und als Haustiere halten.





Villa Reyes: Das war ursprünglich eine 500 Hektar große Hazienda, die 1972 unter dem Marcos-Regime um weitere 7.800 Hektar erweitert wurde. Wie genau zu dieser Zeit das Land auf Domingo Reyes überging, dem Vater des jetzigen Landlords Victor Reyes, ist nicht gekärt. Damals verteilten sich die Landtitel der einzelnen Parzellen auf 28 verschiedene Besitzer.

Victor Reyes hat nicht nur ökonomische, sondern auch politische Macht. Er kennt viele wichtige Leute und nutzt seinen Einfluss. So kommt es, dass in einem Streit vor Gericht fast immer die Bauern die Verlierer sind.


So kommt es auch, dass in dieser Gegend viele Bauern Angst davor haben, um ihr Recht zu kämpfen. Wer es dennoch tut, wird angezeigt.


Jhonnil Bacay hat sich getraut: Er hat 2002 Land beantragt und sich in der Farmersgruppe KMBP organisiert. Im selben Jahr zeigte ihn der Verwalter von Victot Reyes wegen Kokosnussdiebstahls an. Doch Jhonnil Bacay wusste davon nichts, denn es gab kein Schreiben von irgendeinem Amt, keine Anhörung, kein Papier, auf dem die Vorwürfe formuliert waren. Jhonnil Bacay erfuhr von seinem Fall erst vier Jahre später, als er per Zufall seinen Namen auf einer Farmersliste entdeckte, in der alle Bauern Bondocs aufgeführt sind, die eine Anklage haben.

Das erste, was Jhonnil Bacay von offizieller Seite über seinen Fall erhielt, war der Haftbefehl: Den drückte ihm der Polizist in die Hand, der ihn eines sonnigen Morgens im April 2008 auf dem Markt verhaftete. Dann saß Jhonnil fünf Tage im Gefängnis und kam erst frei, als seine Farmergruppe 30.000 Peso (60 Peso = 1 Euro) Kaution für ihn bezahlte.




Am 25. Mai hatten die Bauern von Villa Reyes eine einen wichtigen Termin: Er fand im Gebäude des Departments of Agrarian Reform (DAR) in der Provinzhauptstadt Gumaca statt. Das DAR und das Department of Environment and Natural Resources (DENR) hatte eingeladen zu einer Anhörung, bei der es um eine Entscheidung um die Ländereien der Reyes Villa ging: Nach dem jüngsten Vor-Ort-Termin im Frühjahr 2008 sollten Victor Reyes und Bauern Gelegenheit haben, jeweils ihre Sicht der Dinge darzulegen.

Während Victor Reyes beinahe alles vermessene Land als das seine beansprucht, bezweifeln das die Bauern und werfen Victor Reyes vor, einige seiner Landtitel seien gefälscht. Die Bauern befürchten, noch mehr als bisher den Schikanen des Landlords ausgeliefert zu sein, sollte alles Land als das Seine anerkannt sein. Der Termin am 25. Mai in Gumaca war für 14 Uhr angesetzt.

Als die Bauern am Mittag eintrafen, war die Anhörung schon vorbei: Das DENR hatte an demselben Morgen den Termin auf 10 Uhr angesetzt. Rechtzeitig eingetroffen waren nur Victot Reyes, dessen Rechtsanwalt und einige Bauern, die für Victor Reyes arbeiten.


Auch die Landbegeher des DAR, von denen einige bis aus Manila angereist waren, hatten nichts von der kurzfristigen Terminverschiebung durch das DENR gewusst. So organisierten die Mitarbeiter des DAR am Nachmittag des 25. Juni einen Ersatztermin für die Bauern, bei dem sie deren Beschwerden anhörten und über die Anhörung am Morgen sprachen. Die Bauern können nun am 16. Juni wieder nach Gumaca reisen: Dann sollen sie Geloegenheit haben, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Die Bauern befürchten, dass die Terminverschiebung kein Zufall war.

DAR und DENR besichtigen vor einer Entscheidung über eine Landverteilung gemeinsam das umstrittene Gebiet. Da im Rahmen der Landreform nur landwirtschaftlich genutztes Land vergeben wird, ist die Klassifizierung des Landes wichtig für die Entscheidung über die Verteilung. Die endgültige Entscheidung über die Klassifizierung liegt beim DENR.

Als die Bauern am Mittag des 25. Juni in Gumaca eintrafen, war Landowner Reyes schon längst wieder abgereist. Zugegen aber waren aber noch ein paar seiner Bodyguards, die sich in den Weg stellten, als die Bauern in das DAR-Gebäude wollten. Als die Bauern auf der Straße auf ihren Nachmittagstermin warteten, kamen sie im verdunkelten Van vorgefahren, stiegen aus, stellten sich vor die Bauern und musterten jeden einzelnen mit aufmerksamen Blicken.

An der Wand des DAR-Büros hängt ein Plakat, auf dem in großen Lettern die Mission des Departments geschrieben steht:

To lead the implement of agrarian reform and substantial rural development in the countryside through land tenure improvement and provision of integrated development services to landless farmers, farm workers and small landowners, cultivatory and the delivery of agrarian justice.”


Auch die Wände in den Hütten der Bauern von Villa Reyes sind vollgeschrieben mit Sprüchen. Sie lauten zum Beispiel:

My ideal Christmas – Poverty is not an hinderance to success.”