Montag, 16. Juni 2008

San Andres II

Ein ganzes Dorf zieht um: Wer von dem am Meer gelegenen Provinzstädtchen San Andres etwa acht Kilometer in die Berge fährt, kommt in das Sitio Banaba, Barangay Pansoy. In dieser Gegend zog im Oktober 2007 ein ganzes Dorf um: Der Landlord Alfredo Tan zeigte die Dorfbewohner an, weil sie angeblich auf seinem Privatland lebten, ohne dafür Miete zu bezahlen. Die Bauern sind knapp drei Kilometer weiter in die Berge gezogen, weil sie sich nicht auf einen kostspieligen Rechtsstreit hatten einlassen wollen.


























Fragwürdige
Umsetzung von CARP: Ein paar hundert Meter hinter dem Dorf Banaba, Barangay Pansoy, zeigt der Farmer Carlito Ruga den IPON-Observern das Land: ein weites, fruchtbares Tal, dahinter steinige Hügel, auf denen kaum etwas wächst. Nach dem CARP-Gesetz darf nur landwirtschaftlich nutzbares Land an die Bauern verteilt werden. „In diesem Tal war es anders“, sagt Bauer Carlito Ruga, legt seine Stirn in Falten und schaut gegen die Sonne auf die Berge.

Die kargen Hügel wurden an die Bauern verteilt. Das fruchtbare Tal gehört weiter dem Landherren Tan. Weder MARO noch PARO (beide zuständig für die Agrarreform CARP) hätten sich blicken lassen. Dennoch hätten sie nach den Wünschen des Landbesitzers entschieden. Jetzt haben die Bauern einen Antrag gestellt, damit das Land noch einmal besichtigt wird.

Im Gefängnis: “Legal harassment” nennen die Bauern die Kriminalisierung politischer Aktivitäten rund um die Landreform CARP: wenn die Männer wegen ihrer Arbeit für die Bauernorganisationen oder einfach wegen ihres Antrags auf Land von den großen Landbesitzern mit Prozessen überzogen werden.
Am Morgen des 6. Juni wurde der Bauernführer Bievinido (Benito) Mahilom bei seiner Rückkehr von einer Demonstation in Manila verhaftet: Er soll wie so viele andere Bauern Kokosnüsse vom Land des Grundherrn gestohlen haben. Benito ist angeklagt in 20 Fällen des “qualified theft”, des erschwerten Diebstahls.

Wegen der jüngsten neun Fälle vom 25. März 2008 sitzt Benito nun in der einzigen Zelle der Polizeistation von San Andres. Die Kaution für seine Freilassung beträgt 30.000 Peso pro Fall – insgesamt 270.000 Peso (4.5000 Euro). Benitos Rechtsanwalt verhandelt um eine Reduzierung der Kaution und will anschließend einen Antrag beim “Agrarian Justice Fund” stellen, damit diese Stelle die Kosten für Benitos Freilassung übernimmt.

Benito hat Kokosnüsse geerntet, ohne dem Landherren Victor Reyes etwas davon abzugeben: Denn er ist der Ansicht, das Land gehöre ihm. 2007 hat Benito vom Department of Agrarian Refom (DAR) die Mitteilung bekommen, dass sein Landantrag zu seinen Gunsten entschieden sei. Allerdings hat Benito bis heute keine Landbesitzurkunde bekommen.

Benito ist nicht der einzige Bauer, der in Verbindung mit der Landreform CARP im Gefängnis sitzt: Gegen etwa 50 weitere Bauern rund um San Andres werde ebenfalls wegen Kokosnussdiebstahls oder “trespassing” - illegalen Betretens von Privateigentum, ermittelt. Rund 30 seien bereits einmal im Gefängnis gesessen. Die Frauen wissen in solchen Fällen oft nicht, wie sie ihre vielen Kinder ernähren sollen.


Schwierigkeiten bei der Landverteilung: Von San Andres aus in Richtung Meer: Der Weg durch die Kokosnusshaine wird immer schmaler und ist zuletzt nur noch für Pferde, Carabaos und Fußgänger passierbar. Die Luft riecht nach Salz, und ein angenehmer Wind macht die Juni-Hitze erträglich. In dieser Gegend um das sitio Recodo, Barangay Talisay, können sich die Menschen glücklich schätzen: Sie haben neben den Kokosnüssen zum Überleben auch den Fischfang – und keine bewaffneten Goons der Landlords treiben sich nachts um die Hütten herum.










Bereits 1998 haben die Bauern im Rahmen des CARP ihre Petition um eine verbesserte Aufteilung der Erntegewinne zwischen Landbesitzer und Farmer eingereicht.


Seit 2000 sind die Bauern sogenannte listholder: Die Aufteilung des Erntegewinns (sharing system) ist seitdem 75:25 zu Gunsten der Bauern.


2002 haben die Bauern von Talisay ihren Antrag auf CARP-Land gestellt.


Im Gebiet um Talisay herrschen zwei kleinere Großgrundbesitzerfamilien, denen zusammen rund 299 Hektar Kokosnusswälder gehören: die Familie Estrada und die Familie Quizon.

Während die Quizons mittels Anzeigen versuchen, die Antrag stellenden Bauern zu drangsalieren, sind die Estradas bereit, einen Teil ihres Landes für CARP freizugeben.



Die Sache schaute also gut aus für die Bauern um Talisay.



Wären da nicht die Probleme mit den Landbesitzurkunden: Acht verschiedene Landtitel gibt es für das Land, das im Rahmen von CARP verteilt werden soll.


Die acht Landtitel verteilen sich auf insgesamt 24 Landbesitzer und Ko-Landbesitzer aus den Familien Estrada und Quizon.










So ist das Department of Argrarian Reform (DAR) schon seit geraumer Zeit dabei, Licht ins Dunkel der komplizierten Besitzverhältnisse zu bringen, bevor das Land endgültig verteilt werden kann.